Squalls
- Michael
- 21. Okt. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Bei einer Atlantiküberquerung ist man vor allem damit befasst, Squalls zu vermeiden oder sie geschickt zu parieren. Eine Aufgabe, auf die man nicht vorbereitet wird.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Zuverlässigkeit bei der Anwendung folgender Regeln, geben wir hier nur unsere sehr persönliche Sicht im Umgang mit diesem Wetter-Phänomen wieder.
Definition
Squalls sind lokale Gewitter, die auf See und hier vor allem auf dem Atlantik rasch aufziehen und sich durch eine starke Windzunahme (bis zu 16 Knoten mehr Wind) mit gleichzeitiger Windänderung um etwa 30 Grad zur bisherigen Windrichtung auszeichnen.
Die US Agency NOOA definiert einen Squall als: “A strong wind characterized by a sudden onset in which the wind speed increases at least 16 knots and is sustained at 22 knots or more for at least one minute. 2. In nautical use, a severe local storm considered as a whole, that is, winds and cloud mass and (if any) precipitation, thunder and lightning”. (https://search.usa.gov/search?affiliate=nws.noaa.gov&v%3Aproject=firstgov&query=definition+squall, letzter Zugriff am 20.10.2023)
Das deutsche Segelhandbuch für den Atlantischen Ozean, 3. Ausgabe, Hamburg 2010, bezeichnet das Phänomen schlicht als Böen, was sie letztlich auch tatsächlich sind: "Windstösse, verstanden von der Dauer weniger Minuten bis zu einer Stunde und mehr, die mit einer vorüberziehenden Wolke oder einem Wolkenherde mit Lücken und gewöhnlich einem starken Schauer von Regen, Schnee oder Graupeln oder Hagel auftritt, häufig auch von einem Gewitter begleitet ist, und worin die Änderung der Windrichtung nicht unbedeutend ist."
Entstehung und Auftreten
Auf dem Wasser entstehen Squalls erst, wenn warme feuchte Luft auf instabile Luftmassen trifft. Warme Wassertemperaturen fördern Squalls. Die warme und feuchte Luft steigt auf und es bilden sich Wolken durch Kondensation in steigender Höhe bzw. gleichzeitiger Abkühlung. Unterhalb der Cumulus Wolke bildet sich ein scharf konturierter, dunkler Unterrand. Die oberen Windschichten innerhalb der Gewitterwolke kühlen ab, lösen Regenfall, heftige Windstösse und teilweise Graupel oder auch (seltener) Hagel aus. Heftige Böen – durch darunter liegende Luftmassen kanalisiert und beschleunigt – treten, zusätzlich verstärkt durch die Zuggeschwindigkeit der Böe, vor allem in deren vorderen Bereich auf.

Daraus ergeben sich folgende Regeln:
Squalls entladen sich auf dem Atlantik vorwiegend in der zweiten Nachthälfte, da die Abkühlung der Luft nachts die Kondensation und damit die Regenbildung fördert;
die Änderung der Windrichtung beträgt 30 Grad oder mehr mit gleichzeitig rascher Zunahme der Windgeschwindigkeit um ca.16 kn;
ein Autopilot ist in der Regel mit der Situation (ständig wechselnde Winde) überfordert und Bruch von Mast und Schoten sind vorprogrammiert. Es wird von Hand gesteuert;
starke Regenfälle fallen gleichzeitig mit den heftigsten Böen ein; Sturmgarderobe (foul-weather gear) sollte man jetzt bereits anhaben;
taktisch läuft man am besten vor den (umlaufenden) Böen ab - d.h. nimmt sie ca. 150 Grad von achtern;
wir lassen zusätzlich den Motor im Leerlauf laufen, um ihn bei Ausbrechen des Bootes zur Unterstützung des gewählten Ablaufkurses einzusetzen;
Böen sind vor allem nachts bei Leermond nicht einfach zu erkennen. Gute Dienste leisten Radare mit MARPA Technologie;
nach dem Durchgang der Squalls, lässt der Wind oft nach (Squalls können quasi ein Vakuum hinterlassen).
Ein Wort noch zum Radar. Mit der MARPA Technologie lassen sich verdächtige Gewitterzellen markieren und in der Liste der Ziele abrufen. Nach ca. 10 Sekunden sieht man dann auch die Richtung und die Geschwindigkeit, mit der sie sich nähern, wie auch den Umfang und – farblich hervorgehoben – deren Stärke. Man erkennt so auf dem Radar alle Gewitterzellen und kann sich für einen geeigneten Ausweichkurs entscheiden.

Taktisch läuft man mit kleiner Crew mit Vorteil vor einem Squall ab. Wir lassen den Wind von rund 120 bis 150 Grad achterlich einfallen, um Bruch zu vermeiden. Alternativen sind Beidrehen (mutig) oder Ausweichen (bei entsprechend erfahrener Crew).
Squalls erlebten wir auf der Atlantiküberquerung praktisch täglich.
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