Was kostet eine Weltumsegelung?
- Michael
- 15. Nov. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Das Leben ist zu kurz, um bauchige Segel zu setzen und schlechten Wein zu trinken, frei nach Goethe.
Um es gleich zu Anfang klarzustellen. Wir wissen es, wie viele andere, auch nicht so genau.
Nun mal zur Sache:
Finanzen lassen sich einteilen, in Restaurantbesuche, Lebensmitteleinkauf, Marinas, Ankerplätze (v.a. Marineschutzgebiete) u.v.m.
Oder, einiges realistischer, in den Anfang und das Ende.
Am Anfang steht der Traum. Der Traum vom Blauwassersegeln. Blauwassersegeln heisst, gerade mal nicht zur nächsten Hafenkneipe zu segeln, auf einem See schon gar nicht. Wer nur mal eben rausfährt, den Anker wirft oder sich in der Sonne bei einem Daiquiri oder zwei treiben lässt, ist kein Weltumsegler. Blauwassersegeln ist das nicht. Da liegt schon mehr drin. Unendliche Wasserwüste, Spiritualität und fliegende Fische.

Blauwassersegeln ist wie Blaubart oder Bluetooth. Niemand weiss so genau, wer oder was das ist. Da gab es vor Urzeiten einmal einen König Blaubart. Oder dann König Blauzahn, mit eigenem königlichen Stammbaum und einem Monogramm im Schilde, dass heute jedes Kind kennt.
Blauwassersegeln also führt in die Weite. Bis ans Ende der Welt (und darüber hinaus). Da muss man schon mal vorsorgen. Als erstes kommt das Boot. Dann lange nichts mehr. Schliesslich entwickelt man zu einem Boot ganz andere Gefühle als zu seinem Partner. Das soll man gesagt sein. Schliesslich trägt uns das Boot. Das Boot ist es, das Wellen meistert, sich gutmütig zeigt, oder weich mit schönen Formen, anmutig und verführerisch unseren Blick am Steg anzieht.
Also am Anfang ist das Boot. Das will ausgerüstet werden für die Langfahrt.

Das erste Jahr also ist das mit Abstand teuerste. Die Anschaffung eines blauwassertauglichen Bootes kostet. Das sollte man nicht blauäugig angehen. Die Rechnung kommt sonst später. Wir haben für unsere 18-jährige Lady rund 250'000 Euro auf den Tisch des Hauses gelegt. Das kann nicht jeder. Zugegeben. Ist aber auch nicht wichtig. Das Boot kommt zu Dir, nicht umgekehrt. Und so verschieden wie die Menschen ist deren Budget. Aber mal ehrlich. Blicken wir in die Runde, schwimmen da locker einige Millionen im Wasser, einzeln. OK, vielleicht mehr diese modernen Apartments auf Kufen, die auch noch segeln können (wenngleich nicht mal rasch um die Ecke). Wenn ich dann 80 bin, kaufe ich mir vielleicht ja auch eines.
Wie das erste Blauwasserjahr umgeht, kommen die Mängel unweigerlich zum Vorschein. Nicht immer im besten Moment. Blauwassersegeln heisst auch Unterhalt. Im Klartext, es geht immer etwas kaputt. Gerade beim Schreiben dieser Zeilen. Tevin Philipp alias Michael Jackson aus Grenada repariert gerade unseren Tiefkühler, nachdem er uns vier Tage vertröstet hatte. Karibik eben.

Auch wir mussten im ersten Jahr in der Karibik in die Marina auf den Hartplatz. Die Ölwanne des nicht gerade mal fünfjährigen Motors leckt. Na, sowas. Nachdem das gefixt ist, geht’s weiter. Nein, nicht zurück ins Wasser. Wer im Alter ins Spital geht, muss sich darauf gefasst machen, dass die noch einiges anderes finden. Auf dem Boot ist das nicht anders. Ist das eine erledigt, findet der Mechaniker anderes mehr. Der Turbo sehe schlecht aus. Voll Russ und Partikel, Rost und noch schlimmer, die Turbine lässt sich nicht mehr drehen. Motorenprostata eben. Kosten rund 3’500 Euro. In Europa weniger, aber das ist gerade die Krux. Denn da sind wir nicht. Ratschlag: Gründliches Refit frühzeitig einzuplanen, ohne die Augen zu verschliessen. Und dort erledigen, wo es am günstigen ist. Wir taten es in der Türkei. Was keine Kunst war, denn dort fanden wir sie.
Also im ersten Jahr sind die Kosten für das geliebte Segelboot wohl am höchsten.
«Besser als Neu» ist auch so eine Art, ein Boot zu verkaufen. Hier also die Weisheit der alten Salzbuckel. Aber ein Körnchen Wahrheit steckt da schon drin. Vielleicht auch zwei? Wir sind jedenfalls der Meinung, dass unser Boot durch den Refit gewonnen hat.
Als wir das Schiff kauften, musste ein Experte her. Anders war der Flaggenschein nicht zu bekommen. Nicht in der Schweiz. Gar nicht so einfach, einen Experten in der Türkei zu finden. Über Google fanden wir Joe Rowling, der dort schon seit Jahren lebt (sein Windhund auch. Hundebesitzer haben immer ihren Hund als Profilbild anstatt ihres eigenen Portraits, weshalb wohl?). Wir können ihn uneingeschränkt empfehlen.

Also, der Experte kommt mit einem Assistenten und sie klopfen erst mal den ganzen Rumpf, gleich einem Arzt die Lunge, ab. Und es geht um Töne. Dumpfe, die auf Osmose (auch so ein Altersgebrechen) schliessen lassen oder (zum Glück zur Hauptsache) laute, konturierte Töne, die auf gesunde Stellen hinweisen. Weiter, beim morgendlichen Versuch, die Ankerkette zu inspizieren, brach sie und fiel dem Experten zu Füssen. Einfach so. Beim Versuch, die restliche Kette wieder hochzuholen, versagte schliesslich auch die Ankerwinsch ihre Dienste. Einfach so.

Also investierten wir fast nochmals die Hälfte des Kaufpreises in den Refit. Das Teakdeck gehörte dazu (geklebt), drei Segel, gefühlte 14 Seeventile in Bronze, gefühlte sieben Lagen Antifouling wegschleifen und neu Copper Coat auftragen, neue Solarpanel und Navi Instrumente / Plotter, Satellitentelefon, Silentwind, Liferaft, Generator, Polster, Matrazen, Teppich, Ofen, u.v.m. Vorhanden war bereits der Geräteträger, Watt&Sea, Hydrovane. Auch spendierten wir unserer gelifteten Dame eine solide, aus türkischem Edelstahl gefertigte feste Seereeling und Granny Bars.

Kosten? Rund 100'000 Euro, vermutlich etwas mehr. Die Elektrowinschen, die wir aus der Schweiz mitbrachten, die neuen Oberluken, die Liferaft, die wir alle per Flugzeug und Auto in die Türkei brachten, habe ich im Kopf verdrängt. In der Schweiz hätte das gerade mal für das Teakdeck gereicht, wenn überhaupt.
Die Türkei ist spitze. Zu empfehlen: Didim, Yachtworks. Nette, höfliche Leute. Umgänglich und freundlich. Geholfen hat uns der Broker des Verkäufers aus Bodrum. Der von uns auch bezahlt wurde, und das lohnt sich für langfristige Beziehungen. Seine Dienste waren Gold wert.

Also, das erste Jahr ist das teuerste. Vor allem, wenn man dann erst mal das Mittelmeer herab gondelt.
Das leuchtende Griechenland und seine unwiderstehlichen Tavernen, die Gastfreundschaft und die vielen Restaurantbesuche. Und dann Bella Italia. Hervorzuheben ist Crotone, das wir zuvor, als wir mit dem Vorgängerboot rund Stiefel fuhren, verschmähten. Besonders das Gambero Rosso, mit seinem eigenem Strandabschnitt, hat es uns angetan. Gebaut in den 60-er Jahren. In Familienbesitz seit Jahrzehnten. Italienische Badekultur pur. Mediterrane Schönheiten parlierend im hüfttiefen, warmen Wasser. Die obligatorische Badekabine mit unter dem Badetuch versteckter Kühlbox voll von Parmaschinken, Taleggio, Salami, Prosciutto. Das wird zwar nicht gerne gesehen; immerhin bietet die eigene Küche köstliches an. Aber wie so oft, schaut man galant über das Offensichtliche hinweg, Italien eben. Diesem kalabrischen Paradies mit den Köstlichkeiten der Küche Italiens, dem süssen Nichtstun, konnten wir einfach nicht widerstehen. Sergio und Familie. Das Meer, das Essen, die Aussicht. Einfach herrlich.

Auch das kostet. Aber es lohnt sich, man ist glücklich und zufrieden, beides zugleich.
Damit kommen wir zum Thema zwei: Die Kosten für Restaurants und Partys. Klar unser Favorit. Und unser schlechtes Gewissen, wenn die Budgets wieder mal überzogen werden.
Im Mittelmeer haben wir noch keine Buchhaltung geführt. In der Karibik dann schon. Letztere schlägt mit etwas gegen 6000 Euro in acht Monaten für Restaurant- und Barbesuche zu Buche. Zuviel, wie wir finden. Daher nur noch einmal pro Woche und nicht jeden zweiten Tag. Was schwierig ist. Wie beim Männercharter rund Mallorca, kommt man abends in eine neue Bucht. Da fliesst Wein und Bier und das rosa gebratene Steak liegt auf dem Teller. Aber drei Wochen Charterurlaub sind nicht 12 Monate Karibik. In einem Jahr läppert es sich ganz schön zusammen. Reduziert man die Restaurantbesuche auf Drinks, geht’s schon besser, aber auch die können, wie Nebel auf einer Sandbank, dem Segler zum Verhängnis werden. Auf das Mass kommt es an, alles andere ist Gift (frei nach Paracelsus). Am günstigsten sind längere Passagen, weil da die Versuchung fehlt.

Zukünftig rechnen wir mit ca. 7'200 Euro für Auswärtsessen, 150 Euro pro Woche zu zweit. Das ist doch schon was.
Natürlich kann man auch gar nie ins Restaurant und ehrlich gesagt, ist das auch eine Lösung. Hier kommt es aufs Budget an und besser segeln zu gehen als gar nicht.
Dramatischer wird es, wenn wir über das dritte Thema sprechen: DIE FALLE an Land. Sprich über den Schiffsausrüster. Der hat uns schon mehrfach reingelegt. Jedes Mal, wenn wir reingehen, kaufen wir mehr als wir brauchen. Da sei mein Opa selig zitiert, der eisern an der Disziplin festhielt, «ohne klar definierten Plan mit Liste für das Benötigte geht man gar nicht erst in den Baumarkt». Recht hat er. Letztlich eine Frage der «Persönlichkeit» und des Budgets. Der eine gibt mit vollen Händen für Elektronik (ich) aus, meine Frau für Schrauben und Werkzeuge («sieh mal dieses Super-Tool»), der andere shoppt mit den Augen und geht mit leeren Händen doch voller Ideen zur Tür hinaus.
Aufgrund unserer Erfahrungen der letzten Monate haben wir uns die nachfolgenden Budgetgrenzen auferlegt. Wir sind uns bewusst, dass die Kosten abhängig von der Region, aber auch von der Route sind. Wenn wir längere Passagen vor uns haben, fallen naturgemäss Positionen wie Marina, Restaurant etc. weg. Anderseits steigen jeweils die Kosten für die Ausrüstung des Bootes und der Verproviantierung. In der Regel sind Monate mit Passagen immer noch die günstigsten.
KATEGORIE | INHALT | EUR/MONAT |
FOOD & BEVERAGES | Verproviantierung | 800 |
GOURMET | Restaurants | 600 |
HOME SWEET HOME | Haushalt, Deko | 100 |
AUSRÜSTUNG BOOT | Ship Chandler, Ersatzteile | 350 |
CATWALK | Kleidung | 200 |
BÜCHER PAPETERIE | Bücher, Karten, etc. | 50 |
ENERGIE | Diesel, Benzin, Landstrom | 100 |
MARINA | Hafengebühren, Bojen | 450 |
UNTERHALT BOOT | Services | 150 |
LANDGANG AUSFLÜGE | Exkursionen, Heimaturlaub, Tauchen, etc. | 800 |
TOTAL | | 3'600 |
Unvorhergesehenes, wie beispielsweise die Reparatur des Kühlaggregates, der Ersatz von Turbocharger sowie Reparatur der Ölwanne führen wir mit einem separaten Budget für das Jahr von jeweils 8'000 Euro.

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